Neues zum Klassiker: Wann bedürfen nachträgliche Änderungen des Gewerbemietvertrags der Schriftform? Beschluß des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15.09.2021, Az. XII ZR 60/20

Was war passiert?

Nach der Kündigung eines Gewerbemietvertrags wegen angeblichen Schriftformverstoßes kommt es zum Räumungsrechtsstreit. Der Vermieter begründet seine ordentliche Kündigung: man habe sich ursprünglich zweimal nur mündlich über die Höhe einer Mietminderung geeinigt. Dies hätte aber nicht dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB entsprochen. Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage lautet: bedürfen solche Einigungen auch dann der Schriftform, wenn die Dauer der Mietminderung 12 Monate unterschreitet (hier: an das Bestehen des Minderungsgrunds geknüpft). Der BGH bestätigt hierzu seine frühere Auffassung, dass mit Hinblick auf den Schutzzweck des § 550 BGB in zeitlicher Hinsicht eine gewisse Schwelle überschritten sein muß:

Wie entscheidet der BGH?
Eine Änderung vertragswesentlicher Vereinbarungen ist nur dann gem. § 550 Satz 1 BGB schriftformbedürftig, wenn sie für einen ein Jahr übersteigenden Zeitraum gelten soll (Fortführung der Senatsurteile abgedruckt in NJW 2016, Seite 311 und NJW-RR 2018, Seite 1101).
Wichtig ist dabei auch: Die Laufzeit einer Vereinbarung ist für die Frage der Schriftformbedürftigkeit bezogen auf jede einzelne (von mehreren) Abreden/Vereinbarungen zu bestimmen. Denn diese kann die Vertragsparteien und den Erwerber, dessen Schutz § 550 BGB bezweckt, auch nur insoweit binden. Eine Addition der Laufzeiten der beiden Vereinbarungen zur geminderten Miethöhe, um die „Erheblichkeitsschwelle“ von einem Jahr zu überschreiten, erfolgt nicht.

Vereinbarungen über die Höhe einer Mietminderung betreffen die Miete grds. als vertragswesentlichen Bestandteil. Sie unterfallen dem Schriftformerfordernis erst dann, wenn sie einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfassen. § 550 BGB soll den Erwerber eines Grundstücks davor schützen, bei Eintritt in einen Mietvertrag, dessen Bedingungen er mangels Schriftlichkeit nicht zuverlässig erkennen kann, länger als ein Jahr an die vertraglichen Regelungen gebunden zu sein. Zweiter Schutzzweck des § 550 BGB ist, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden auch zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen. Mit dem in § 550 BGB genannten einen Jahr hat der Gesetzgeber hier die Grenze benannt, bis zu der keine Langfristigkeit im o.g. Sinne vorliegt. Aus diesen Gesetzeszwecken folgt, dass eine Änderung auch von vertragswesentlichen Vereinbarungen wie etwa zur Miethöhe erst dann der Schriftform unterliegt, wenn sie für einen ein Jahr übersteigenden Zeitraum Geltung beansprucht. Im Streitfall war diese Zeitspanne nicht erreicht: die beiden Vereinbarungen zur Minderungshöhe hatten, separat betrachtet jeweils eine Laufzeit von deutlich unter einem Jahr. Hier geht es zur Entscheidung des BGH.

Praxistipp
Es schadet nie, Zusatzvereinbarungen in einem schriftlichen Nachtrag festzuhalten, um im Streitfall Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden: wie lange sollte die Vereinbarung nach dem Parteiwillen eigentlich gelten? Das gilt für Mietminderungen wie Abweichungen von der Umlagefähigkeit einzelner Betriebskostenarten ebenso wie für zeitweise Veränderungen des Mietgegenstands. Ein Nachtrag- der auch gerne auf die im Übrigen gewollte Fortgeltung des Mietvertrags verweisen darf- ist schnell gefertigt. Nehmen Sie sich diese Zeit!