Kein Amtshaftungsanspruch wegen unwirksamer Verordnung zur Mietpreisbremse

Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH): Keine Amtshaftung wegen unwirksamer Mietpreisbremse

Der III. Zivilsenat des BGH ist zuständig für Rechtsstreitigkeiten über Schadensersatzansprüche gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts aufgrund des Art. 34 GG. Er hat heute entschieden, dass Mietern keine Amtshaftungsansprüche zustehen, wenn eine Landesregierung eine Mietenbegrenzungsverordnung mit weitem räumlichem und persönlichem Geltungsbereich erlässt, diese aber- vorliegend: wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Begründung der Verordnung- unwirksam ist.

Was war geschehen?

Die Klägerin fordert aus abgetretenem Recht vom Land Hessen Schadensersatz wegen der Unwirksamkeit der von der Landesregierung erlassenen Mietenbegrenzungsverordnung vom 17. November 2015 gem. § 556 d Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Die Abtretenden mieteten im Jahr 2017 eine Wohnung. Der betreffende Frankfurter Stadtteil war in der o.g. Verordnung als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Sinne von § 556 d Abs. 2 BGB ausgewiesen. Die Klägerin forderte aus abgetretenem Recht der Mieter von deren Vermieterin in einem Vorprozess die Rückzahlung überhöhter Miete. Dabei stützte sie sich auf die Mietenbegrenzungsverordnung. Diese Verordnung ist allerdings wegen Verstoßes gegen die in § 556d Abs. 2 Satz 5 bis 7 BGB bestimmte Begründungsverpflichtung unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2019, VIII ZR 130/18). Deshalb wurde die Klage abgewiesen.

Nun fordert die Klägerin vom beklagten Land Schadensersatz. Denn den Mietern habe im Fall der Wirksamkeit der Mietenbegrenzungsverordnung ein Rückzahlungsanspruch gegen die Vermieterin für die gezahlte Miete zugestanden. Sie stützt ihre Klage auf einen Amtshaftungsanspruchs gemäß § 839 BGB. Mit dem Erlass der fehlerhaften Verordnung habe das Land Hessen eine ihm gegenüber den Mietern obliegende Amtspflicht verletzt.

Wie entscheidet der Bundesgerichtshof?

Der III. Zivilsenat weist die Revision gegen die Urteile der Vorinstanzen zurück. Denn § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB setze voraus, dass ein Amtsträger eine ihm gegenüber einem "Dritten" obliegende Amtspflicht verletzt hat. Ob der Geschädigte im Sinne dieser Vorschrift "Dritter" ist, richtet sich danach, ob die Amtspflicht - zumindest auch - den Zweck hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten "Dritten" bestehen. Gesetze und Verordnungen enthalten hingegen durchweg generelle und abstrakte Regeln, und dementsprechend nimmt der Gesetzgeber in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahr, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt. Nur ausnahmsweise - etwa bei sogenannten Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen - kann etwas Anderes in Betracht kommen und können Belange bestimmter Einzelner unmittelbar berührt werden, so dass sie als "Dritte" im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB angesehen werden können. Die hessische Mietenbegrenzungsverordnung sei kein Maßnahme- oder Einzelfallgesetz in diesem Sinne. Sie betreffe nicht einzeln identifizierbare Mieter (und Vermieter), sondern einen unüberschaubar großen und nicht individuell begrenzten Personenkreis. Dementsprechend soll sie allein das Interesse der Allgemeinheit und nicht bestimmter Einzelner schützen.

Amtshaftungsansprüche der Mieter bestehen auch nicht wegen eines Eingriffs in eine geschützte Grundrechtsposition oder wegen enttäuschten Vertrauens der Mieter in die Wirksamkeit der hessischen Mietenbegrenzungsverordnung. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird ein allgemeiner Anspruch auf angemessene Entschädigung für Aufwendungen, die im enttäuschten Vertrauen auf die Wirksamkeit einer Rechtsnorm gemacht worden sind, nicht anerkannt.

Urteil vom 28.01.2021, Geschäftsnummer III ZR 25/20