Ein Klassiker: Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs durch Bauarbeiten nebenan. Wer muß beim Streit um die Mietminderung was vortragen und beweisen?

Was war geschehen?

Vereinfacht und verkürzt: Auf dem 40 m von der Wohnung des Mieters entfernt liegenden unbebauten Grundstück wurde über zwei Jahre ein neues Gebäude errichtet- Baustellenlärm und Dreck inklusive. Der Mieter minderte die Miete um 10%.

Wie entscheidet der Bundesgerichtshof (BGH)?
Wir kommentieren die Entscheidung des BGH vom 29.04.2020, Geschäftsnummer VIII ZR 31/18. Nach Ansicht des BGH stellen erhöhte Geräusch- und Schmutzimmissionen wegen der Errichtung eines Neubaus auf einem Nachbargrundstück grundsätzlich keinen Mangel gem. § 536 I Satz 1 BGB dar- vorausgesetzt, auch der Vermieter muß die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB hinnehmen. Wer aber muss bei diesem Streit was darlegen und beweisen?
Der BGH lehnt zunächst das Vorliegen eines vermeintlichen Erfahrungssatzes ab, dass es beim Bauen „immer“ zu Lärm- und Schmutzbeeinträchtigungen kommen muß. Er stellt sogar in Frage, ob es überhaupt eine so genannte "typische Baustelle" oder "typische Baustellenemissionen" gibt und verneint dies. Stattdessen müsse ein Gericht stets eine Einzelfallbetrachtung anstellen. Die Darlegungslast ist nach Ansicht der BGH auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 275, 906 BGB abzuleiten wie das zuvor entscheidende Gericht meinte, sondern es sind stattdessen die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung anzuwenden. Nicht der Vermieter ist deshalb in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig, sondern zuerst muss der Mieter darlegen und ggf. beweisen, dass es sich bei der von ihm behaupteten Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch Geräusch- und Schmutzimmissionen um eine wesentliche Beeinträchtigung i.S.d. § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt: Er muss erstens beweisen, dass die Wohnung tatsächlich Immissionen ausgesetzt ist, die die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung unmittelbar beeinträchtigen. Sodann muß er beweisen, dass es sich hierbei um eine wesentliche Beeinträchtigung i.S.d. o.g. Norm handelt. Weshalb? Weil die hierauf bezogenen tatsächlichen Umstände in primär in seinem eigenen Wahrnehmungsbereich liegen. Ihm wird dadurch nicht mehr als das abverlangt, was er auch im Fall der Lärmbeeinträchtigung aus einer Nachbarwohnung darlegen und beweisen müsste. Erst wenn der Mieter diese Hürden genommen hat, muß der Vermieter nach § 906 BGB die Unwesentlichkeit der Störung darlegen und beweisen. Gelingt ihm dies nicht, so muss er darlegen und beweisen, dass die (Nachbar-) Grundstücksnutzung ortsüblich i.S.d. § 906 BGB ist und die Beeinträchtigungen nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen (vorübergehender Lärmschutz? Regelmäßiges Reinigen der Hausflure/ Mieträume?) verhindert werden können.

Praxistipp
Das Urteil bedeutet für den Vermieter: er darf den Vortrag des Mieters zunächst "einfach" bestreiten. Sollte dem Mieter der o.g. Beweis gelingen, muss das Gericht prüfen, ob der Vermieter mögliche, von der Baustelle herrührende Immissionen seinerseits ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit gemäß § 96 BGB hinnehmen musste. Dies ist wie erwähnt nachrangig- erst hier ist der Vermieter darlegungs- und beweispflichtig.